08.09.2018 2. Bluesmesse
Ostalgie der ganz anderen Art
Die Bluesmessen der Samariterkirchen sind legendär. In den 80ern trafen sich hier Jugendliche, die nicht ins DDR-Schema passten. Am 08.09. möchten wir an diese Bluesmessen mit einem zweiten Konzert daran erinnern.
Rainer Eppelmann
Wie auch bei der „ersten“ Bluesmesse im Mai, möchten wir ab 20.00 Uhr das Konzert mit einer Talkrunde beginnen. Dazu haben wir keinen geringeren als den ehemaligen Jugendpfarrer Rainer Eppelmann eingeladen. Günther „Holly“Holwas (2014 leider verstorben) wollte 1979 ein Benefizkonzert geben, suchte einen Aufführungsort und stieß dabeiauf einen Jugendpfarrer namen Rainer Eppelmann, der seine Samariterkirche dafür öffnete. Die Bluesmessen waren geboren! Auf Rainer Eppelmann waren zeitweise 40 Stasispitzel angesetzt. Und der Blues war sowieso eine Underground-Bewegung, ein Aufbegehren gegen den Staat. Das „Anders sein“ wurde exzessiv ausgelebt.
Seit 45 Jahren steht der Gitarrist Jürgen Kerth nun auf der Bühne. Sein Stil ist irgendwo der Schnittpunkt zwischen Santana, Johnny Winter, B.B. King, Hendrix u.a. . Deswegen relativiert Kerth auch den gern gebrauchten Titel „Ostdeutscher Blueskönig“ :´Meine Musik soll genauso den Swing, Soul und Funk, Reggae und vieles anderes mehr beinhalten‘. Er ist in „Zonen“-Zeiten mehrmals zum“Nr.1-Gitarristen“ Ostdeutschlands gewählt worden. Seit 20 Jahren tritt er auch in Amerika auf, wo er schon zahlreiche Konzerte gab. Begeisterten und verblüfften Amis erklärte er es so: „Wenn du als Musiker an einem Ort festgehalten wurdest
und nicht in die Welt konntest, musstest du dich zu all deinen Musiker-Kollegen und Vorbildern und den legendären Konzerten, wie nach Woodstock oder ins „Filmore East“ hinträumen. Du willst dieses Feeling in deine Welt holen.“
Die über Jahrzehnte gleich bleibende Popularität von Jürgen Kerth ist wahrscheinlich mit darauf zurückzuführen, dass ihm dies nicht nur für sich gelang,
sondern für viele Fans, die ähnlich fühlten wie er. Sie sprechen immer wieder von dem ´ unverwechselbaren eigenen Kerth-Stil.` Durch seine ca. 100 Kompositionen (Songs und Instrumentals) und Texte und dadurch, dass er sich ständig bei seinen Live-Auftritten musikalisch steigert, ist er mit zu einem der wichtigsten Musiker in diesen Landen geworden.
Kirsche & Co. entstand aus der DDR–Vorwende-Band Pasch. Andreas „Kirsche“ Kirchner (Sänger) und Klaus Müller von Baczko (Gitarrist) verließen 1987 Pasch und formierten Kirsche & Co. Durch ihr ruppiges Auftreten und die kritisch, aggressiven Texte, folgte was folgen musste: Auftrittsverbot ! Von 1983 – 1987 räumten sie in so ziemlich allen Dorfschuppen, Kulturhäusern und Kirchen von Berlin bis Suhl ab. Ihr Repertoire bestand hauptsächlich aus eigenem Material, Songs von den Scherben von Chapman, Burdon usw. Wiederum auf Grund der Texte und Menschenmassen folgten Maßregelungen hier und Auftrittsverbote dort. Gleichzeitig nahmen die Meinungsverschiedenheiten in der Band zu, sowohl musikalisch als auch menschlich. „Ich wollte endlich mein Ding durchziehen, mehr eigene, deutschsprachige Songs machen. 1987 verließ ich zusammen mit Klaus die Band. Für ihn war es eine noch härtere Entscheidung als für mich. Auf der einen Seite eine Band, die gut im Geschäft ist, auf der anderen Seite das Risiko eines Neubeginns.Wir mussten also bei Null anfangen. Keinen Namen, keine Technik, kein Management.
Da mir so was nicht noch mal passieren sollte, wählte ich als neuen Bandnamen meinen Spitznamen und gab ein Co. dazu. „Kirsche & Co.“ wird mir also bleiben, bis ich in die Grube fahre. Wir brachten einiges von Westernhagen, der damals noch der Hammer war und natürlich von Rio Reiser, von dem wir bis heute nicht die Finger lassen können. Wir spielten diese Werke auf unsere Art, der Rest ca.90 % wuchs auf eigenem Mist. Ich war glücklich, endlich ein Programm aus einem Guß.Die eingefleischte Pasch Fangemeinde nahm`s gespalten zur Kenntnis und wir brauchten sehr lange um uns frei zu spielen. Immer wieder wurden Vergleiche mit Pasch gezogen. Ich konnte es nicht mehr hören..Heut` sind wir so was wie `ne eheähnliche Gemeinschaft, nur dass wir dauerhaft mehr Spaß miteinander haben. Vielleicht sitzt Du ja mal bei einem freundlichen Bierchen mit dem einen oder anderen von uns zusammen und wir philosophieren über das gewesene.“ Euer Kirsche“
Neben Engerling, der Jonathan Blues Band, der Hof Blues Band, Passat und der Stefan Diestelmann Folkblues Band gehörte Monokel zu den erfolgreichsten Formationen der ‚Blueser- und Kundenszene‘ in der DDR. Während es andere Bands wie die Engerlinge, Jürgen Kerth und Stefan Diestelmann bis in die Wertungssendungen von Rundfunk und Fernsehen der DDR schafften, bewahrte sich Monokel die Bodenständigkeit und blieb eine Live-Band. Ihr Song „Bye, Bye Lübben City“ aus dem Jahre 1979 von Rainer ‚Lello‘ Lojewski wurde nicht nur Kult, sondern war Inbegriff einer ganzen Subkultur in der DDR.
Ohne Zweifel gehört diese Band zum verbliebenen Rest der Aufrechten, die den Wimpel des ostdeutschen Bluesrock in der tosenden Großstadt wie auch in weniger pulsierenden Regionen des Landes hochhalten.
Sie setzen damit ein Zeichen, auch für die in Würde ergrauten Kunden, Tramper oder Blueser, die immer noch da sind, noch immer kommen und
niemals wie Vater sein wollen. Man trifft sich vor allem dort, wo die schwarze Marie ihren Kinderträumen nachhing und wo das Boogie Mobil
noch heute seinen Kraftstoff tanken kann.
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